Nachlese: Die 10. Stadtteilexkursion des Herner Netzes
nach Holsterhausen, im Volksmund "Neu-Bielefeld"

Bericht und Bilder Gerd Kaemper

Trotz des Wintereinbruchs fanden sich am Sonntag, dem 27. 11. 2005, 22 Heimatfreunde vor dem Haus Deese zur 10. Stadtteilexkursion durch Holsterhausen ein. Der Name "Neu-Bielefeld" für die alte Bauernschaft stammt von dem Heimatforscher Gustav Hegler. Sein Großvater war als Leineweber aus Ostwestfalen gekommen wie viele Neubürger nach 1850, die durch die mechanische Weberei ihre Hausweberei aufgeben mussten und in Holsterhausen bei den benachbarten Zechen Julia, Shamrock I/II und Shamrock III/IV Arbeit fanden. Über das "Vogelviertel" (Drosselweg, Nachtigallenweg und Kuckucksweg) führten Ingeborg Viehweger und Hartmut Stockhorst die Teilnehmer an St. Franziskus vorbei zur Ludwig-Steil-Schule (früher: Karlschule) und zum evangelischen Gemeindezentrum, wo ausführlich über den Widerstandskämpfer Ludwig Steil und sein Schicksal berichtet wurde. Vor der St. Stephanus-Kirche, deren Fenster gerade renoviert werden, wurde ihre Baugeschichte erklärt.

Auf der Bielefelder Straße wies Ingeborg Viehweger auf die schönen Jugendstilfassaden (Haus 208, 212, 214) hin. Von da war es ein Katzensprung zur Beckumer Straße, wo im Haus Nr. 9 Stanislaw Mikolajczyk mit seinen Eltern gewohnt hat. Er war später der Exilpremierminister Polens von 1943 bis 1945.

An der Juliastraße, die jetzt 14 Meter unter der Bahnunterführung liegt, erklärte ein ehemaliger Eisenbahner, dass früher Straße und Bahntrasse an der Köln-Mindener-Eisenbahn auf einer Ebene lagen. Durch Bergsenkungen ist dieser Niveau-Unterschied im Laufe der Zeit entstanden. Vor Haus Nazareth wurde die Entstehung des ehemaligen katholischen Klosters geschildert, das heute ein Pflegeheim ist.

Gegen 12.00 Uhr trug Wolfgang Viehweger im Haus Deese die Geschichte der Dorneburg und ihrer Besitzer vor, welche die Gutsherren von Holsterhausen waren. Um 1225 wurde der Adelssitz von Conrad von Dorneburg, genannt "Aschebrock", gegründet. Als die Dorneburger um 1500 im Mannesstamm ausstarben, heiratete Johann von Loe aus der Nähe von Marl die reiche Erbtochter und nannte sich fortan Johann von Loe und Dorneburg. In diesem Zusammenhang las Wolfgang Viehweger die seltsame Lebensgeschichte der Judith von Loe und Dorneburg vor, der "Jeanne d'Arc des Ruhrgebiets", wie sie auch genannt wird. Ihr Lebenslauf als Erbtochter geriet durch den 30-jährigen Krieg und die Nachkriegswirren in ungewöhnliche Bahnen. Als im Haus Loe bei Marl schwedische Truppen einquartiert waren, lernte sie durch die Soldaten das Reiten, Fechten und Schießen und zog 1668 mit den Schweden in das Hauptquartier in Bremen. Im Dragoner-Regiment ihres Obersten (und Liebhabers) gab sie sich als Mann aus und brachte es bis zum Rittmeister der schwedischen Armee. Im Jahr 1705 kehrte Judith in die Heimat zurück, bekam eine Entschädigung für das entgangene Erbe und lebte danach als Mitglied der Willibrodis-Kirchengemeinde in Wesel als fromme Klausnerin. 1721 starb diese ungewöhnliche Frau. Am Schluss der Lesung kam es zu einer Überraschung: Der Heimatfreund Wilhelm Kleffmann hatte drei Alben mitgebracht, worin u.a. Postkarten und Bilder der Dorneburg enthalten waren, welche im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört wurde. Wegen der Gaveg-Werke war Holsterhausen ein besonderes Ziel der alliierten Bomber.
Um 13.30 Uhr endete die Lesung. Zur Freude der Veranstalter erklärten einige Nichtmitglieder ihre Bereitschaft, in den nächsten Tagen dem Herner Netz beizutreten und die kulturelle Arbeit dieses Vereins zu unterstützen.


Judith von Loe und Dorneburg
(Zeichnung von Wolfgang Ringhut)
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