Buchrezension:
Wolfgang Viehweger "Tribüne Ruhrgebiet"

Von Holger Schumacher

Nach der Lektüre des Buches sitzt man zunächst etwas ratlos da und überlegt, was sich auf den 208 Seiten abspielt. Dann geht man an den Anfang zurück und bemerkt, dass der Schlüssel zur Konzeption die Flüsse sind. Sie symbolisieren Entwicklung und Wandel. Seit 1200 Jahren ist die Geschichte der Städte an der Ruhr und der ehemaligen Dörfer an der Emscher in Bewegung. Das alte Westfalen zeigt in seinen Innenstädten und Burgen an den Stadträndern noch diese historische Realität. Sie wird verdrängt durch das Industriezeitalter seit 1850. Allerdings ist auch das nur eine Episode, welche gerade zu Ende geht. Die Industriedenkmäler sind inzwischen selbst museal. Sie haben ihren Bezug zur Gegenwart verloren, werden aber gerade dadurch erhaltenswert wie die Burgen und Schlösser.

Schließlich kommt im Jahr 1900 noch der Fußball hinzu, der mit seinen bescheidenen Kampfbahnen in der Amateurzeit und seinen Riesenarenen in der Profizeit die Entwicklung des Sports in der Flusslandschaft zwischen Ruhr und Emscher weitertreibt. In dem aufwendigen Bildteil wird das eindrucksvoll dokumentiert. Neben dem Renaissance-Schloss in Gelsenkirchen-Buer steht die Arena auf Schalke und um die Ecke die Zeche Zollverein in Essen-Katernberg, heute Weltkulturerbe und Publikumsmagnet. Diese Beispiele lassen sich in dem Buch mehrfach finden.
In dem knappen Teil über die Reviervereine findet man inhaltlich zunächst nicht viel, was nicht schon veröffentlicht wäre. Dann bemerkt man im Vergleich der Stadtwappen mit den Vereinswappen, der bürgerlichen "Lackschuhvereine" mit den "Arbeitervereinen" an den Zechen, dass auch hier alles dem Fluss der Geschichte unterworfen ist. Entwicklung und Strukturwandel sind auch im Sport Markenzeichen des Ruhrgebiets.

Wolfgang Viehweger hat das Buch, um es leserfreundlich zu machen, in zwei Bedeutungsebenen eingeteilt: die eine ist die Information, die andere die Unterhaltung, damit man beim Lesen Spaß hat und lachen kann. Das gilt besonders für die Passage über die Fans im Ruhrgebiet. Bei den Fußballhelden stehen allerdings das Lachen und das Weinen nahe beisammen. An den Spielern Rahn und Libuda wird gezeigt, wie das Profizeitalter die Helden zu armen Menschen werden lässt, wenn sie ihre Laufbahn beendet haben.
In diesem Buch, das von einer neuen Sehweise auf das Ruhrgebiet ausgeht, findet man noch weitere erstaunliche Informationen, z.B. über die Adelsfamilie von Schalke oder die Haimonskinder am Hellweg, die ein Leckerbissen nicht nur für Historiker sind.
Der Klartextverlag in Essen hat mit der Veröffentlichung dieses Buches eine glückliche Hand gehabt. Das Buch wird zur Orientierung der Besucher der Fußball-WM 2006 ein wichtiger Beitrag werden, wie es im Vorwort heißt. Ziemlich sicher dürfte es sein, dass es über das Jahr 2006 hinaus seine Bedeutung als Kompass in dieser Region behalten wird.

Holger Schumacher

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