Das Restaurant Neweling in Baukau (1898-1997)
Auf den Spuren einer Gründerfamilie

Von Wolfgang Viehweger


Gerd Neweling und Wolfgang Viehweger vor den
“Bismarck-Stuben” in Herne-Baukau. Foto:Ingeborg Viehweger

Im Jahr 1896 teilte der Restaurantbesitzer und Bäcker Theodor Neweling, Cranger Straße in Baukau, seinen Besitz unter seine Söhne Wilhelm und Josef auf. Da Wilhelm der ältere war, bekam er das Elternhaus (später: Haus Nierhoff, Cranger Straße 38). Der jüngere wurde ausgezahlt und kaufte von dem Grundstückseigentümer Westerworth ein Grundstück an der Bismarckstraße in Baukau in der Größe von ca. 3000 m².

Das Restaurant des Wilhelm Neweling lag unmittelbar an der Zeche Julia, deren Geschichte hier kurz erwähnt wird: Der Grubenbesitz der Zeche „Barillon“ (großes Fass) der belgisch/französischen Gesellschaft „Société civile des Charbonnages de Herne – Bochum“ mit Sitz in Brüssel und Paris lag im Stadtteil Baukau auf dem Gelände des heutigen Großmarkts und der Industrieansiedlung und hatte eine Größe von ca. 3 km². Die Förderung begann 1869 und betrug 1871 bereits 102 000 t Kohle.

Im November 1889 übernahm die Harpener Bergbau AG die Zeche, welche jetzt den Namen „Julia“ bekam. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs förderte Julia mit einer Belegschaft von 2000 Mann 550 000 t Kohle. Dazu hatte auch die Fertigstellung des Rhein-Herne-Kanals beigetragen, der einen schnellen Absatz sicherte. Am 15. Juni 1961 kam es zur Schließung. Die übrigen Bergleute wechselten zur Nachbarzeche „Recklinghausen II“.

Das Restaurant des Josef Neweling lag unmittelbar an der Zeche Von der Heydt, deren Geschichte hier ebenfalls skizziert wird: Im Jahr 1864 erwarb die belgisch/französische Gesellschaft „Société civile des Charbonnages de Herne – Bochum“ unter dem Repräsentanten Joseph Pierre Monin den Besitz der Mutung von dem Bochumer Kohlenhändler Wilhelm Endemann. Die künftige Zeche „Providence“ (Hoffnung) versprach eine gute Entwicklung, da sie nahe an der Köln-Mindener-Eisenbahn und auch dem Herner Bahnhof lag. Im Dezember 1866 wurde der Betrieb auf Schacht I aufgenommen, erst 1894 der auf Schacht II. Im Dezember 1889 erwarb die Harpener Bergbau AG in Dortmund die Zeche und änderte den Namen in den des preußischen Ministers „ Von der Heydt“. Als die Stadt Herne von 1915 bis 1918 den Bahnhof ausbaute, wurden alle vorhandenen Gleisanlagen höher gelegt. Das verschlechterte das „Ansteigeverhältnis“ für die Übergangsgleise der Zeche und ihre Absatzsituation insgesamt. Am 1. Juli 1918 mussten somit Förderung und Absatz von der Zeche Julia übernommen werden.

Bis zum Juli 1940 verblieb die Zeche im Besitz der Harpener Bergbau AG. Der Verbund der Zechen Julia und Von der Heydt endete am 15. Juni 1961. Übrig blieben danach nur noch die Bauabteilung und die Markscheiderei (das Vermessungsbüro) der Zeche Recklinghausen am Harpener Weg in Baukau.

Am 11. Mai 1897 heiratete Josef Neweling Therese Uhle aus Paderborn. Die Tochter des Bauunternehmers Karl Uhle und seiner Ehefrau Ida, geborene Stolte, brachte viel Geld mit in die Ehe. Seit 1898 führten die beiden auf der Bismarckstraße 2 ( die Nr. 1 hatte das alte Amtshaus) ein Restaurant, angeschlossen waren eine Drogerie, daneben ein Kolonialwarengeschäft mit Delikatessen.


Haus Neweling um 1917


St. Marien Kirche um 1917

Interessant ist, dass St. Marien in Baukau später entstand als das Restaurant Neweling. Die Marienkirche in Baukau, Bismarckstraße 72, die dem Restaurant Neweling direkt gegenüber steht, ist in den Jahren 1899-1908 vom Architekten Wielers aus Bochum begonnen worden. Einwölbung und Erweiterung des Westwerks von 1908 sind dem Architekten Franz Klomp aus Dortmund zu verdanken. Das angerenzende Pfarrhaus errichtete 1902 der Bauunternehmer Lehmann aus Recklinghausen. St. Marien ist ein neugotischer Massivbau in Ziegelsicht-Mauerwerk, konstruiert als dreischiffige Hallenkirche. Das Westwerk ist gestaltet als Zweiturmfassade mit repräsentativem Portal in Ziegel-Mosaiktechnik. Der Portalgiebel trägt ein figürliches Relief mit krönender Madonna.

Am 25. April 1898 wurde Sohn Josef geboren, am 1. Januar 1901 Sohn Paul. Weil beim Tode des Ehemanns am 1. April 1923 ein Testament fehlte, traten seine Witwe Therese und die beiden Söhne gemeinsam in die Verwaltung ein. Der Nachlass bestand aus:

1. dem Wirtschafts-,Geschäfts-und Wohnhaus, Bismarckstraße 75, mit großem Hofraum und Hinterland mit Saalgebäude;

2. einem Mietwohnhaus, Bismarckstraße 77;

3. einem halben Anteil am unbebautem Grundstück, Bismarckstraße 70;

4. dem Gewerbebetrieb der Familie Neweling, bestehend aus der Schankwirtschaft und einem Lebensmittelgeschäft.

Geschäftsführer war seit 1923 der Kaufmann Josef Neweling Junior, während Sohn Paul im Jahr 1925 das landwirtschaftliche Studium an den Universitäten Bonn und Münster aufnahm.
Die Drogerie war 1923 aufgegeben worden. Restaurant und Lebensmittelgeschäft wurden von Mutter Therese und Sohn Josef weitergeführt. 1931 bekam Sohn Paul, der aus Krankheitsgründen sein Studium abgebrochen hatte, eine Anstellung beim Herner Arbeitsamt.

Mit viel kaufmännischer Umsicht führte indessen Sohn Josef das Geschäft auf der Bismarckstraße 75, so dass der Vermögensbestand auch nicht in den Krisenjahren 1928 bis 1933 gefährdet war. Am 29. Januar 1927 wurde ihm und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Breuer, der einzige Sohne Gerd geboren. Als am 23. April 1939 Mutter Therese verstarb, fielen Geschäftsführung und Vermögensverwaltung an Sohn Josef. Der ledige Sohn Paul bekam den Hausrat der Mutter und freies Wohnrecht auf der Bismarckstraße 75 auf Lebenszeit.

Im Jahr 1961 übernahm Sohn Gerd für den kränklichen Vater die Geschäftsführung (Restaurant und Lebensmittelgeschäft) zusammen mit seiner Frau Brunhilde, geborene Langhoff. Die beiden waren verheiratet seit dem 8. September 1953. Als 1974 Vater Josef starb, hatte sich in Baukau einiges verändert: Mit der Ansiedlung von GLOBUS und DIVI und weiteren Discountern mit Angeboten auf großen Flächen musste Gerd Neweling das Lebensmittelgeschäft aufgeben. Erhalten blieb das Restaurant, dass er bis 1992 führte. Von 1992 bis 1997 erfolgte die Verpachtung an die Brauerei Rose in Essen, nach deren Insolvenz der Verkauf des Hauses Bismarckstraße 75 an den Zahnarzt Dr. Heinz-Otto Hoppe aus Herne.

Erhalten blieben die Schankräume, welche heute den Namen „Bismarck-Stuben“ tragen.
Gerd Neweling lebt zusammen mit seiner Frau auf einem Teil des großväterlichen Grundstücks am Harpener Weg 32. Er hat sein gesamtes Archiv mit Briefen, Urkunden, Bildern, Kaufverträgen und Lizenzen dem Herner-Netz zur Verfügung gestellt. Der Grund dafür ist seine Liebe zur Heimatgeschichte. Der Umfang des Archivs ist so groß, dass das Herner-Netz zur gegebenen Zeit eine Bild-und Dokumentenausstellung machen wird, die besonders für die Baukauer interessant sein dürfte.


Haus Neweling um 1930
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