Nachtrag zur Lesung von Wolfgang Viehweger und Wolfgang Bessel
in der Galerie des Herner Netzes e. V. am Samstag, dem 24. Februar 2007


Zwanzig Besucher waren gekommen, um am Samstag, dem 24. Februar 2007, in der Zeit von 10.00 Uhr bis 11.30 Uhr an der Lesung der beiden Autoren in der Galerie des Herner Netzes e. V. auf der Germanenstraße 77 in Baukau teilzunehmen. Die Galerie hat inzwischen Kultcharakter und treue Besucher, egal, ob es sich um Lesungen oder Ausstellungen handelt.

Wolfgang Bessel las aus seinem neuen Buch „Püttmanns ehrliche Grabreden“ und zeigte, obwohl er inzwischen in Remscheid wohnt, dass er die Sprache der Püttleute nicht verlernt hat. Dazu muss man anmerken, dass er auf der Shamrockstraße geboren wurde und diese Sprache während seiner Jugendzeit täglich gehört und gesprochen hat. Auch die Typen, welche in seinen Geschichten vorkommen, hat er wirklich erlebt.


Wolfgang Viehweger trug aus den „Emschervertellekes“ Sagen, Märchen und Satiren vor, die er in den Jahren 2001 bis 2003 verfasst hat. Im Mittelpunkt der Satiren steht die Bauernschaft Beckum bei Henrichenburg. Dort wohnten nach Ansicht des Autors früher Menschen, die in ihrer Unwissenheit zwar den gewohnten Alltag bewältigten, nicht aber Situationen, die von außen auf sie zukamen. Dafür stehen hier die Satiren vom Beckumer Pumpernickel und von den Beckumer Schweinen als Beispiele für die völlige Überforderung einfacher Menschen durch das Außerordentliche.

Der Beckumer Pumpernickel

Es gibt nicht zwei Dinge auf Erden, die sich ähnlicher sehen als ein westfälisches Schwarzbrot und ein Stück Torf. Wenn man beide zerschneidet und an den Schnittflächen riecht, ist man versucht, den Torf in den Mund zu stecken und das Schwarzbrot in das Feuer zu werfen.
Als im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) ein französischer Husar in der Bauernschaft Beckum plünderte, fand er in einem Haus nichts Brauchbareres als ein Schwarzbrot. Die verängstigte Bäuerin bot ihm eine Scheibe Brot an, worauf der Franzose geantwortet haben soll, was man ihm gebe, sei gut für sein Pferd Nic (c’est bon pour Nic). Die Bäuerin verstand „Pumpernickel“ und war hoch erfreut, von einem Franzosen zu erfahren, wie der eigentliche Name des Brotes war, welches sie täglich aß. Sie teilte die wichtige Entdeckung ihrer Nachbarin mit, worauf sich das Wort so schnell verbreitete, dass es heute in allen deutschen und französischen Wörterbüchern zu finden ist.
Pumpernickel war früher ein Roggenbrot, bei dem Kleie und Mehl, manchmal auch ein wenig Stroh, miteinander gemischt wurden. Das Brot war fest und schwer, von einem dunklen Braun innen und außen. Um ihm ein freundlicheres Aussehen zu geben, puderten manchmal die Bäuerinnen die Außenseite mit Mehl.
Übrigens streiten sich seit 1756 die Beckumer und die Steinfurter darum, wo der französische Husar geplündert und seine unfreiwillige Wortschöpfung gemacht hat. Wenn man allerdings durch die Bauernschaft Beckum fährt und die vielen Leute auf den Straßen mit Schwarzbrotscheiben sieht, die sie als ständige Nahrungsergänzung bei sich tragen, ist man vom Ursprungsort des Wortes „Pumpernickel“ überzeugt.

Die Beckumer Schweine

 Das europäische Hausschwein war bis vor 100 Jahren in der Bauernschaft Beckum neben dem Rind für die Ernährung der Bewohner am wichtigsten. Das männliche Hausschwein nannten die Beckumer „Kämpe“ (nicht: Eber), das weibliche „Docke“ (nicht: Sau) und das Junge in der Säugezeit „Milchbutz“ (nicht: Milchferkel).
Die Bauern wussten natürlich aus langer Erfahrung, dass sogenannte „leere Docken“ mit Weiden auskamen, während hochtragende und säugende Zusatzfutter mit viel Eiweiß, Mineralien und Vitaminen brauchten. Deshalb standen sie meist mit den Kühen zusammen auf den Wiesen und bekamen neben Wasser auch manchen Eimer Buttermilch als Zusatznahrung. Alles wäre in der Ordnung der Natur geblieben und die Beckumer würden heute noch ihr Schmalz aus dem Flomen des Schweins auf Pumpernickel essen, wenn nicht eines Morgens die Beckumer Kühe keine Milch mehr gegeben hätten. Eilig wurde eine Gemeindeversammlung einberufen, welche zu dem Schluss kam, dass die treuen Kühe nicht von sich aus den Menschen die Milch verweigerten, sondern dass auf ihnen ein böser Fluch laste, den man lösen müsse. Bekannt war für solche Fälle eine alte Frau aus dem nahen Henrichenburg, die im Ruf stand, eine Zauberin zu sein. Ihr Name war Julchen Mecking. Man nannte sie aber allgemein „Mutter Mecking“ wegen ihres fortgeschrittenen Alters. Als sie von dem seltsamen Vorgang der plötzlich versiegten Milch in Beckum informiert wurde, machte sie zur Bedingung, dass man ihr in die Untersuchung nicht hineinrede und ihre Entscheidungen respektiere.
So kam sie eines Abends in Beckum an, besichtigte Wiesen und Weiden und befahl allen Beckumern, bis zum Anbruch des nächsten Tages in den Häusern zu bleiben. Türen und Fenster sollten verschlossen sein. Auf diese Weise könne sie am besten dem bösen Fluch auf die Schliche kommen. In der Nacht, welche Mutter Mecking nahe an den Wiesen verbrachte, geschah zunächst nichts, bis plötzlich im Morgengrauen die hochtragenden und säugenden Docken wie auf Kommando aufstanden, sich unter die Kühe stellten, welche schon auf die Melkerinnen warteten, und sie behaglich leer soffen. Danach entfernten sie sich und ließen die Kühe zurück, die kein Erstaunen zeigten.
Am nächsten Morgen rief Mutter Mecking zunächst alle Bauern zusammen. Es ließ sich allerdings nicht vermeiden, dass schließlich alle Beckumer anwesend waren. Sie teilte ihnen mit, nicht die Kühe seien verhext, sondern die Beckumer Schweine. Da sie den bösen Fluch, der auf diesen Tieren laste, nicht in wenigen Tagen oder Monaten lösen könne, sollten ihr für einen gewissen Zeitraum alle Schweine überlassen werden. Die Beckumer waren damit einverstanden, und das besonders, als sie merkten, dass die Kühe am nächsten schweinslosen Tag wieder Milch gaben.

In den folgenden Jahren fragte Mutter Mecking immer wieder an, ob sie nicht ihre Schweine zurückhaben wollten, weil es für sie unmöglich sei, den Fluch von ihnen zu nehmen. Die Beckumer teilten ihr jedoch mit, sie hätten sich an den schweinslosen Zustand gewöhnt und wünschten ihr und den Schweinen in Henrichenburg alles Gut
e.

Bericht und Fotos Gerd Kaemper

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