"Geheimnisvoller Gysenberg"

Giesbert und der Schmied

(Zeichnung von Wolfgang Ringhut)

Vor vielen hundert Jahren hieß der Ostbach noch „Schmedebecke“, wahrscheinlich nach einem tüchtigen Schmied, der dort mit Erfolg sein Handwerk betrieb.
Ihn besuchte eines Tages der Riese Giesbert vom Giesenberg, weil er Gesellschaft suchte und dem Schmied gern bei der Arbeit zusah.
Dieser, eben damit beschäftigt, eine schwere weißglühende Eisenstange auszurecken, ließ sich nicht stören und setzte den Blasebalg so kräftig in Bewegung, dass ein sprühender Feuerregen den Herd erfüllte.
Während der Meister seine Aufmerksamkeit der Feuerstelle zuwandte, nahm Giesbert verstohlen den vierhundert Pfund wiegenden Amboss vom Stock und verbarg ihn unter seinem weiten Mantel. Als der Schmied den Amboss benutzen wollte, war der zu seinem nicht geringen Schrecken verschwunden. Schweigend und verlegen blickte er sich um, bald auf den leeren Sockel, bald auf Giesbert.
Der Riese, den die Situation belustigt hatte, ließ es genug sein; er zog den Amboss hervor und setzte ihn wieder an seine Stelle. Nachdem er den Schmied für seinen Schrecken reichlich beschenkt hatte, machte er sich auf den Weg zum Gysenberg, wo er eine große Höhle bewohnte.

Giesbert muss immer aufpassen

(Zeichnung von Wolfgang Ringhut)

Eines Abends saß vor seiner riesengroßen Hütte am Gysenberg der Riese Giesbert. „Na schön“, so sprach er nach einer besinnlichen Stunde, „jetzt muss ich leider wieder alle Türen meiner riesigen Hütte zuschließen, mit demselben alten, großen Schlüssel, den ich von meinem Großvater Geusbert geschenkt bekam, als ich noch klein war.“
Hier schwieg der Riese nachdenklich. Dann sagte er: „Und weshalb muss ich das tun, weshalb? – Nur wegen der Menschenzwerge, die uns Riesen immer irgendetwas mitten in der Nacht wegnehmen, unwichtige und winzige Sachen, wie sie sagen: Häuser, Freunde, Felder, Berge und den Abendstern.“

Wolfgang Viehweger

zurück zum Presseindex