Emscherbrücher
Dickkopp Zeichnung von Wolfgang Ringhut
Obwohl
es bis zum Sonntag, dem 28. Mai 2006, noch einige Wochen dauert, wenn sich das
Herner Netz mit den Heimatfreunden nach Crange aufmacht, soll hier schon der Appetit
auf einen Stadtteil angeregt werden, der eine reiche Geschichte hat.
Die
Römer machten ihre Vorstöße vom Rhein zur Weser unter ihrem Feldherrn
Germanicus meist entlang von Flüssen, zum Beispiel der Ruhr, der Emscher
und der Lippe. Kaiser Tiberius hatte seinen Neffen adoptiert und ihm im Jahr 13
n. Chr. Die Verwaltung Galliens und das Kommando über die acht Rheinlegionen
übertragen. Zwischen 14 und 16 n. Chr. marschierte der junge Feldherr mit
seinen Truppen zur Ems und drang auch bis zur Weser vor. Dabei gelang es ihm allerdings
nicht, die Cherusker und die mit ihnen verbündeten Brukterer zu schlagen,
weshalb Tiberius ihn im Jahr 17 abberief. Er genehmigte seinem Feldherrn jedoch
einen Triumphzug in Rom. Aus
dieser Zeit stammen die Berichte von den Wildpferden. Ihre Weidegründe lagen
im Flußgebiet der Emscher. Sie erstreckten sich südlich vom Vest Recklinghausen
bis weit in das ehemalige Stift Essen. Es ist das Gebiet von Crange, Buer, Gelsenkirchen
und Bottrop. Die Bruchzone der Emscher umfaßte in ihrer größten
Ausdehnung nach Westen den Hamborner Bruch und nach Osten das Schlangenriedt bei
Henrichenburg, in der Frühzeit auch noch den Dorstfelder Bruch. Benachbarte
Wildbahnen waren im Nordosten der Merfelder Bruch und im Südwesten der Duisburger
Wald mit den Ruhrauen. Die
Wildpferde lebten in der Art des Rotwilds: Sie rudelten sich so zusammen, daß
oft zwanzig Stuten bei einem Hengst standen. Zur Brunstzeit wurden harte Kämpfe
zwischen den rivalisierenden Hengsten ausgefochten, wobei das Recht des Stärkeren
galt. Schon in
Urzeiten war das Gebiet des Emscherbruchs die Heimat für Wildpferde jeglicher
Art, wie aus der Vielzahl vorgeschichtlicher Funde hervorgeht. Das im Jahr 1930
in Wanne Eickel entdeckte Skelett eines Emscherbrüchers befindet sich
im Depot des Bergbaumuseums in Bochum. Die Emscherbrücher Dickköppe,
wie sie genannt wurden, hatten folgende Merkmale: Schulterhöhe bis 135 cm;
Körpergewicht bis 300 kg; kurze Ohren; Hornwarzen an allen vier Beinen; einen
von der Rückenwurzel herabhängenden behaarten Schweif. Die
Römer hatten im Emschergebiet schon die Bekanntschaft mit germanischen Reitern
auf diesen unscheinbaren, struppigen Pferden gemacht. Anfangs spotteten sie darüber
und verglichen die Tiere mit großen Ziegen, später statteten sie ihre
gallische Reiterei mit 400 Wildpferden aus. Die Pferdezucht muß hier schon
uralt sein. Historisch
kann man nicht mehr genau feststellen, wann zu den Wildpferden, die in Crange
Dickköppe genannt wurden, Kavalleriepferde gekommen sind. Es
ist wahrscheinlich, daß die herrenlosen Tiere getöteter Reiter in den
Fehden des Mittelalters und den Wirren des 30 - jährigen Krieges oft ihr
Schicksal in eigene Verantwortung nahmen, indem sie sich den Rudeln der freilaufenden
Pferde im Emscherbruch anschlossen. Aus der Kreuzung entwickelten sich veredelte
Wildpferde, meist dunkelbraun oder schwarz, größer als die Wildpferde,
mit kräftigen Beinen und einer breiten Brust, aber einem recht schmalen Hals
und einem zierlichen Kopf. Die
Pferde waren nicht vogelfrei, so daß sie jeder fangen und verkaufen
konnte, sondern sie gehörten zu den Forst und Weiderechten der Rittergüter.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach der Bauernbefreiung, konnten
auch Bauern und Kötter diese Rechte im Emscherbruch wahrnehmen. Ende
Juli eines jeden Jahres, wenn es in der Cranger Heide trocken war und Überschwemmungen
der Emscher nicht befürchtet werden mußten, wurden die Pferdefänger,
genannt Pferdestricker, bestellt. Unter den Bäumen im Emscherbruch
legten die Helfer Futter aus. Auf den Bäumen saßen die Pferdestricker,
die lange Stricke mit Schlingen an starken Ästen befestigt hatten. Wenn die
Tiere fraßen, wurden ihnen von oben die Schlingen um die Hälse geworfen.
Mit den Helfern, die aus ihren Verstecken kamen, wurden dann die Pferde gebändigt
und zu den Koppeln und gesicherten Weiden in Crange gebracht, um ein Ausbrechen
zu verhindern. Adelige brachten es auf 15 bis 20 Pferdestricker und ebenso viele
Helfer. Die Fohlen bekamen ein Brandzeichen und wurden wieder zu ihren Müttern
in die Freiheit entlassen. Die
Tiere, die zum Verkauf als Acker -, Karren oder Reitpferde geeignet waren,
wurden - je nach Wildheit auf Koppeln, mit Holzbarrieren gesicherten Weiden
und in überdachten Fangställen gefüttert, getränkt und bei
Laune gehalten. Außerdem beließ man sie in kleinen Rudeln, damit sie
den Schock des Gefangenseins besser ertrugen. Da das ganze Dorf und die Nachbarschaft
die Vorgänge mit Interesse verfolgten, ist hier der Anfang der Cranger Kirmes
zu suchen. Jedoch stand zunächst der Pferdemarkt am 10. August im Mittelpunkt
des Geschehens, noch nicht die Kirmes. Der Verkaufsplatz befand sich auf der von
der Emscher gebildeten Halbinsel zwischen dem Schloß und der Laurentiuskapelle.
Der Zutritt war lediglich Käufern gestattet, die Zuschauer standen jenseits
der Emscher. Dort fand auf einem Platz mit einigen Buden, Seiltänzern und
Taschenspielern, gezähmten Affen und Bären die Kirmes statt. Das fahrende
Volk war noch in geringer Zahl, ganz im Gegensatz zu späteren Zeiten.
Besonders die veredelten Emscherpferde waren von den Offizieren der benachbarten
Garnisonen begehrt, so daß manchmal ganze Truppenteile mit ihnen beritten
gemacht wurden. Es
ist bekannt, daß sich Napoleons Schwager, der Reitergeneral Joachim Murat,
als Großherzog von Berg im Jahr 1806 für seine Feldzüge komplett
mit den veredelten Wildpferden von Crange ausgestattet hat. Da diese sich weigerten,
auf französische Kommandos zu reagieren, mußten ihre Reiter deutsch
lernen, damit die Tiere die Befehle verstanden und ausführten. In der Grande
Armée (der Großen Armee) hieß es deshalb scherzhaft:
Wir sprechen
mit unseren Kameraden französisch und mit unseren Pferden deutsch! Die
Anmeldung zur Exkursion ist für Führung und Lesung bindend, da Verpflichtungen
vom Herner Netz gegenüber den Restaurants hinsichtlich der Reservierung eingegangen
werden. Für Mitglieder ist die Teilnahme kostenlos. Nichtmitglieder zahlen
zu Beginn der Exkursion 5 Euro zur Deckung der Kosten. Weitere Informationen unter
Tel. 02323-9871884 oder per E-Mail unter info@herner-netz.de.
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