Der Rhein-Herne-Kanal – „Einst Hernes Tor zur Welt“
Gedanken nach der ersten Mondschein – Riverboat – Party des Herner Netzes e.V.
Zur geschichtlichen Entwicklung

Bericht von Wolfgang Viehweger

Die Idee, den Rhein mit der Weser und der Elbe zu verbinden, ist etwa 300 Jahre alt und bekam nach 1815 zur preußischen Zeit in Westfalen wieder Auftrieb. Alle Pläne scheiterten jedoch, weil die Emscher nicht schiffbar war. Ihr Flussbett war zu flach, die Fließgeschwindigkeit wegen der vielen Krümmungen zu gering, und außerdem lehnten die preußischen Behörden die Erweiterung des „Rinnsals“ aus Kostengründen schließlich ab.
Erst mit der Gründung des „Vereins für die bergbaulichen Interessen“ im Oberamtsbezirk Dortmund durch den Dortmunder Unternehmer Friedrich Harkort und den Gelsenkirchen/Herner Unternehmer William Thomas Mulvany begann im Ruhrgebiet der Fortschritt im Verkehrs- und Transportwesen. Dazu gehörte der Ausbau des Kanalnetzes für die Binnenschifffahrt (Rhein-Herne-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal, Mittellandkanal) und eine Erweiterung des Eisenbahnnetzes, um die norddeutschen Gebiete mit Kohle zu beliefern und über die Nord- und Ostseehäfen den Handel mit Holland, England, Skandinavien und Russland zu aktivieren.
Am 5. April 1906 erfolgte der erste Spatenstich, am 14. Juli 1914 wurde die 45 km lange künstliche Wasserstrecke zwischen dem Rhein und dem Dortmund-Ems-Kanal für die Schifffahrt freigegeben. Im wesentlichen folgte der Kanal dem Lauf der begradigten Emscher und den dort angesiedelten Kohlezechen. In der Blütezeit der deutschen Steinkohle gab es mehr als 30 öffentliche und werkseigene Häfen zum Transport von Erz und Kohle. Außerdem diente der Kanal als zusätzliches Wasserreservoir für die Bevölkerung.


Der Höhenunterschied der Strecke zwischen Herne und Duisburg beträgt 36 m. Über die heute noch 5 Schleusen (früher waren es 7) können Schiffe bis 1350 t abgefertigt werden. Sie dürfen eine maximale Breite von 11,45 m und eine Länge von 110 m haben. Die Schleusen sind notwendig zur Wasserregulierung. Im Laufe der Zeit mussten immer wieder die Ufer erhöht werden, weil der Kanal wegen Bergsenkungen überzulaufen drohte.
Nach dem Ende der wirtschaftlichen Bedeutung der Steinkohle verringerte sich das Verkehrsaufkommen auf dem Rhein-Herne-Kanal um 25 %. Mit den Zechenstillegungen schwand der Absatz von traditionellen Gütern, für welche der Kanal gebaut worden war. Unter den jährlich noch 15 Millionen Gütertonnen auf 25 000 Schiffen aus Europa und Übersee sind zwar noch Kohle, Steine und Erze, aber vorrangig Mineralöl, Glas, Schrott, Baustoffe, chemische Güter und Nahrungsmittel.

Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums steigt in den nächsten 15 bis 20 Jahren der Güterverkehr der gesamten Binnenschifffahrt in Deutschland um etwa 84 % als Folge der zunehmenden Integration und der Öffnung der Grenzen zum Osten. Ob der Rhein-Herne-Kanal an dem Aufschwung teilnehmen wird, ist fraglich. Er dient heute nicht mehr nur der Binnenschifffahrt, sondern auch den Freizeit-Sportlern. Viele Wassersportvereine haben sich am Kanal angesiedelt. Freizeitmöglichkeiten finden die Besucher auf gut ausgebauten Uferwegen. Angler, Fahrradfahrer, Jogger, Wassersportler und Spaziergänger haben hier vielfältige Möglichkeiten. Das Schwimmen im Kanal ist zwar verboten, aber beliebt. Kinder und Jugendliche sollten sich jedoch nicht von der Wasserschutzpolizei erwischen lassen.

II. Zum Strukturwandel der Betriebe am Rhein-Herne-Kanal

Am Beispiel der Wanne-Herner Eisenbahn und Hafen GmbH lassen sich Strukturwandel und Risiken der Betriebe am Kanal erläutern: Die WHE betreibt eine leistungsfähige öffentliche Eisenbahn, verbunden mit dem Netz der Deutschen Bahn AG und den Hafenbetrieben der Ruhrkohle AG. Zentralstellwerke, eigene Diesel-Loks und Güterwagen verschiedener Größe stehen für Kunden zur Verfügung. In den Häfen Wanne-West und Wanne-Ost gibt es zwei Umschlagplätze. Die Schiffe haben Zugang zu allen europäischen Wasserstraßen. Der neue Container-Terminal bietet auch Verbindungen zu den benachbarten Flughäfen in Düsseldorf und Dortmund. Die technischen Voraussetzungen für den Strukturwandel sind vorhanden. Trotzdem hat die WHE noch bis in die jüngste Zeit investiert in Kohlelager und Kohlemischanlagen zur Veredelung unterschiedlicher Kohlesorten, obwohl die Nachfrage danach ständig sinkt. Warum hat die WHE in den letzten 20 Jahren Techniken und Logistik bereitgestellt für nicht mehr gefragte Güter?


Diese Frage blieb sowohl in der Sitzung des Aufsichtsrats der WHE am 30. Januar 2006 unbeantwortet als auch in der Sitzung des Hauptausschusses der Stadt Herne am 23. Mai 2006. Es wurde von OB Horst Schiereck lediglich mitgeteilt, dass der Herner Unternehmensberater Dr. Andreas C. Habicht & Partner beauftragt sei, ein Konzept zur strategischen Neuorientierung für die WHE zu erarbeiten. Außerdem werde der amtierende Geschäftsführer Karl-Heinz Wick zum 1. September 2006 vorzeitig von seinem Amt entbunden. Neuer Geschäftsführer werde Karl-Heinz Adams, der bisherige Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG).

Das Sanierungskonzept wird sich mit folgenden Problemen befassen müssen:

  1. Umstrukturierung auf dem Feld der Massengüter, von nicht mehr gefragten zu gesuchten Produkten
  2. Suche nach potenten Partnern für den Logistik- und Container-Park
  3. Ausbau der Service-Einrichtungen passend zum Bedarf
  4. Werbung von europäischen Partnern im grenzüberschreitenden Verkehr
  5. Modernisierung der vorhandenen Anlagen
  6. Zusammengefasst: Suche nach sicheren Partnern, welche in einem der größten Produktions- und Absatzgebiete Europas bereit sind, sich in Herne niederzulassen, die neuen Konzepte der WHE zu unterstützen und zu nutzen.

Zu den Modernitätsanforderungen der WHE gehören allerdings nicht nur neue Konzepte und neue Leute, sondern auch die Verbesserung der Umfeldbedingungen in Herne, wie sie beispielhaft in Essen, Mülheim, Oberhausen und Duisburg seit Jahren betrieben werden. In eine wenig attraktive Stadt kommen keine Investoren, wenn sie und ihre Mitarbeiter einige Kilometer weiter bessere Bedingungen finden.
Der Versuch der Stadt Herne, die WHE mit Bürgschaften zu retten, kann nur eine kurzfristige Lösung sein. Wenn der WHE weiter die Kunden fehlen, wird sich die Bilanzsumme von 15,8 Millionen Euro im Jahr 2005 weiter verringern. Die gemeinsam mit der RAG gegründete „Brennstoffaufbereitung und Veredelung Herne GmbH“ zur Sicherung des Kohlestandorts Herne hat nur noch eine Zukunft von wenigen Jahren, wie es nach den Plänen der Landesregierung aussieht.

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