Beitrag zur 16. Exkursion des Herner Netzes e.V.
am 17. September nach Herne-Süd

Eine Woche vor der Exkursion beginnt im Bergbau-Museum in Bochum (10.9.2006) die Dauerausstellung „Courrières 1906 – Eine Katastrophe in Europa“. Sie dokumentiert eindrucksvoll die Grubenexplosion im nordfranzösischen Courrières mit 1099 Toten und mehr als 300 Verletzten.
Da dazu auch ein Rettungszug der Grubenwehr der Zeche Shamrock I/II mit modernen „Gasschutzgeräten“, wie sie damals hießen, unter Leitung von Werksdirektor Georg Albrecht Meyer zu Hilfe gerufen wurde, ist die Vorlesung des Historikers Wolfgang Viehweger in „Ömmes Hof“ auf der Bochumer Straße am 17. September in doppelter Weise aktuell:

  1. Er wird über die „Helden von Courrières“ aus seinem Buch „Spur der Kohle...“ vorlesen, das er im Jahr 2000 für den Bund Deutscher Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine e.V. geschrieben hat.
  2. Er wird mit Hilfe des Katalogs zur Ausstellung in Bochum auf die jüngste Diskussion zur Bewertung des politischen Nutzens der Solidarität von deutschen und französischen Kumpeln am Vorabend des Ersten Weltkrieges eingehen.

 

Der Presserummel und der Umstand, dass Kaiser Wilhelm II. den Helden, die tatsächlich noch einige Kameraden lebend aus den zerstörten Schächten herausholten, Orden verlieh, wenn auch nicht in Herne, sondern bei einer Truppenparade in Krefeld am 2. April 1906, konnte die damals antifranzösische Propaganda gegen den „Erbfeind“ nicht aufheben.
So war das öffentlich vom Kaiser gespendete Lob für die kameradschaftliche Solidarität über die Grenzen hinweg nichts anderes als ein taktischer Schachzug.
Für die Stadt Herne war der „Erinnerungsort“ der Beginn einer Städtepartnerschaft mit Hénin-Liétard (Hénin-Beaumont), einer Nachbarstadt von Courrières, welche ebenfalls viele Opfer zu beklagen hatte.
Für die deutsche Heeresleitung waren die Erfindungen von Herne im Jahr 1915 bei den Materialschlachten und Giftgasangriffen ein Anlass, die „Gasmasken“ zum Schutz der Truppen einzusetzen.
In Frankreich erinnert man sich am 10. März fast ausschließlich daran, dass nach dem Unglück von den Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt wurde. Der „Mythos von Courrières“ spielt dort keine Rolle.
In Deutschland hat der Film „Kameradschaft“ von Georg Wilhelm Pabst aus dem Jahr 1931 den Internationalismus der Bergleute von 1906 erhalten. Dazu haben auch Ausstellungen in Herne (Martin-Opitz-Bibliothek) und im Wissenschaftspark Gelsenkirchen im Juni, Juli und August 2006 beigetragen. Schließlich hat im Vorfeld der Dauerausstellung in Bochum zum Thema „Courrières“ ein Symposium stattgefunden, wo „Geschichtspolitische Grabungen“ zu dem Ereignis versucht wurden. Museumsdirektor Rainer Slotta berichtete u.a. den Historikern aus dem Ruhrgebiet von den Eindrücken seiner Delegation bei der Feier zur hundersten Wiederkehr des Unglücks am 10. März 2006 in Courrières.

Fachliches Wissen über Kohlenstaub- und Schlagwetterexplosionen sowie historische Erkundungen in der Dialektik der damaligen Zeit hat Michael Farrenkopf in dem umfangreichen Katalog von 264 Seiten zusammengetragen. Er kostet 15,00 Euro und ist mit seinen eindrucksvollen Bildern sehr zu empfehlen.

Ingeborg Viehweger
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